Do it yourself – Wer kann das noch?

von | Apr 8, 2018 | Gedankendünger | 0 Kommentare

Die Familienurlaube über Ostern sind überstanden. An den Schokoladeeiern haben wir allerdings noch genauso zu knabbern, wie an den Viren, die uns sämtliche Großeltern mit ins Osternest gelegt haben. Auch mit im Gepäck haben wir ein paar Geschichten der Urgroßeltern. Ist zwar nicht so, dass wir die zum ersten Mal gehört hätten (insbesondere die Ländle-Uroma schöpft aus einem begrenzten Fundus von ca. 15 Geschichten, die über die Familienfeiern permutiert werden); zwei davon sollen hier aber Erwähnung finden.

Zum einen die vom Grazer Uropa, wie er als Kind gelernt hat, Hasen an die Wand zu nageln, um ihnen das Fell abzuziehen. Zum anderen die von der Ländle Uroma, die zusehen musste, wie die Hühner im Hof geköpft wurden und ohne Kopf noch bis zur Regenrinne des Daches flogen. (Die Ländle Uroma isst seit diesem Tag an kein Hühnerfleisch mehr.)

Finden wir das Schlachten von Tieren grauslig?

Finden wir diese Geschichten grauslig? – Vermutlich ja.
Ist das Schlachten von Tieren seither weniger grauslig? – Vermutlich nein.1

Was passiert ist, ist, dass wir uns von unseren Lebensmitteln entfremdet haben. Man kauft im Supermarkt ein einvakuumiertes Stück Fleisch, ohne Bezug zum Lebewesen, dem wir dieses verdanken.
In ähnlicher Weise gilt das auch für’s Gemüse. Wir sind es gewohnt, jede Art von Gemüse zu jeder Jahreszeit konsumieren zu können. (Dass das Wenigste zu jeder Jahreszeit gut schmeckt, scheint die Wenigsten zu stören.) Und die Wenigsten haben eine Ahnung, welche Arbeit dahinter steckt, Gemüse zu produzieren. (Ich bis vor kurzem inklusive.) Dabei spiele ich nicht auf die Menge an Arbeit an, sondern tatsächlich auf die Art der Arbeit. Samen der vorigen Ernte zurückhalten, trocknen, im frühen Frühjahr einsetzen, warm und feucht halten, Sprösslinge pikieren und langsam mit Sonnenlicht und Wind abhärten, aussetzen, düngen, gießen. Davon, wie man das ganze dann auch noch biologisch krankheits- und schädlingsfrei haltet, will ich erst gar nicht anfangen.

Könnten wir uns noch selbst ernähren?

Tätigkeiten, die für unsere Urgroßeltern noch selbstverständlich waren, nehmen wir als gegeben an. Klar geht es sich in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft nicht aus, dass jeder seine Nahrungsmittel selbst produziert, aber da ist innerhalb von 80 Jahren schon sehr viel Wissen verloren gegangen. In Österreich sperren durchschnittlich jeden Tag 6 Bauernhöfe zu.2 Ohne Initiativen wie die Arche Noah und ein paar engagierter (Bio-)Bauern läge das gesamte Know-How zur Nahrungsmittelproduktion bald in der Hand von einer handvoll Großkonzernen.

Ich wünsche uns ja, dass wir uns nie um die Lebensmittelversorgung sorgen müssen. Ich bin aber froh, im Sonnwendgarten ein bisschen lernen zu dürfen, was es braucht, um Gemüse ernten zu können. Danke an die Sonnwendgärtnerinnen für den regen Wissensaustausch und danke Wien für den Sonnwendgarten!


1. In Wirklichkeit haben sich sämtlich Lebensumstände bis hin zur Schlachtung durch die Massentierhaltung enorm verschlechtert. Siehe z.B.: Safran Foer, Jonathan (2. Auflage 2010): Tiere Essen, Kiepenheuer & Witsch

2. https://www.osttirol-heute.at/wirtschaft/6-bauernhaeuser-verlieren-pro-tag-ihre-nutzung/
Beitrag vom 25.10.2017, abgerufen am 8.4.2018